Dienstag, 12. Juni 2012

Ein kleines Zwischenfazit nach dem ersten Spieltag der EM

Der erste Gruppenspieltag bei der EM ist zu Ende, werfen wir einen Blick zurück. Eine kurze Anmerkung zu den Teams und der Entwicklung.

Gruppe A

Polen-Griechenland

Die Polen starteten, wie in der EM Vorschau hervorgehoben, sehr druckvoll über die rechte Seite mit dem Dortmunder Duo. Mit Lewandowski hat man vorne den notwendigen Torjäger, welchen man bei den anderen Gruppengegnern, Russland mal ausgenommen, schmerzlich vermisst. Jedoch wird die große Frage sein, ob der Druck einer Heim-EM nicht doch zu hoch ist. Polen verkrampfte in der 2. Halbzeit gegen die Griechen sehr und das Pfeifkonzert der eigenen Fans tat dem natürlich das übrige. Auch ist die Frage ob die Polen taktisch variabel genug sind: Nachdem Griechenlands Trainer seinen Linksverteidiger Holebas besser beschützte ging wenig nach vorne. Das Spiel heute Abend gegen die Russen wird sicherlich Antworten auf diese Fragen liefern.

Enttäuschten die Griechen in der ersten Halbzeit noch auf der ganzen Linie zeigte sich in Halbzeit zwei eine bemerkenswerte Trotzreaktion. Nachdem man einen Innenverteidiger mit Verletzung und einen durch einen absurden Platzverweis verloren hatte, stellte Trainer Santos um und verhalf seinem Team damit zu einem Punktgewinn. Schwach waren die Standardsituationen, nicht nur der Elfmeter, hier hat Griechenland noch Luft nach oben. Auch muss man gegen Tschechien heute Abend aufpassen seine Außenverteidiger nicht wieder so zu entblößen. Weitere Sorgen macht einem der Torhüter, der gerade bei Flanken unglaublich unsicher war am Eröffnungstag. Die taktische Frage wird sein ob Griechenland diesmal von Beginn an einem klaren 4-4-2 vertrauen wird.

Russland-Tschechien 4:1

Vom Niveau her ebenfalls ein überschaubares Spiel, für den Fußballfan natürlich ein Leckerbissen, weil auf so schwachem Niveau. Die Russen vertrauen einem Block aus Zenit St. Petersburg Spielern und dies könnte sich im Laufe des Turniers als großer Vorteil herausstellen. Man sah im ersten Spiel wie eingespielt dieses Team ist und wenn man ihnen soviel Platz zum Kontern wie die Tschechen lässt wird jedes Team dieser Welt Probleme haben. Gerade Arshavin und Dzagoev, ein Player to watch, überragten im Konterspiel (weil sie den nötigen Platz bekamen). Es wird jedoch interessant zu sehen wie die Russen sich schlagen wenn sie gegen bessere Gegner spielen oder das Spiel selbst in die Hand nehmen müssen und dann anfällig für Konter sind.

Die Tschechen wurden im Eröffnungsspiel nicht nur gnadenlos ausgekontert, sondern offenbarten eklatante Mängel im taktischen Verhalten. Der Abstand zwischen der Viererkette und dem Mittelfeld war zum Teil so groß, dass die Russen diesen für Konter ausnutzen konnten. So war Tschechien frühzeitig aus dem Spiel und auch nach dem 1:2 Anschlusstreffer durch Pilar, ein weiterer Player to watch, kam nie wirklich Spannung auf. Die Geschichte dieses Spiels war eher, dass die Russen es versäumten frühzeitig alles klar zu machen. Tschechien muss nun das Spiel gegen die Griechen heute Abend gewinnen, jedoch ist schwer zu sehen wie man gerade in dem Spiel auf Konter lautern möchte, da die Griechen wahrlich kein begeisterndes Offensivspektakel präsentieren.

Gruppe B

Dänemark-Holland 1:0

Sicherlich eine der großen Überraschungen dieses Turniers bisher. Jedoch zeigten die Dänen wieso sie zu Recht als Außenseiter mit Viertelfinalchancen betitelt wurden. Taktisch unglaublich stark spielten die Dänen ihr Spiel und trauten sich zu jederzeit Fußball zu spielen. Dies wurde in einigen Situationen fast bestraft, Andersen Fehlpass und danach Robben Pfostenschuss, jedoch ist es eine erfrischende Art und Weise. Negativ hervorheben muss man jedoch, dass die Dänen wohl kaum noch ein Spiel gewinnen werden, wo sie dem Gegner so viele Torchancen genehmigen. Der Sieg ist also Gold wert, das Ergebnis spiegelte aber in keinster Weise die Chancenverhältnisse wieder.

Für die Holländer ist das Spiel auch etwas Ambivalent. Auf der einen Seite spielte man nicht gut, auf der anderen Seite hätte man das Spiel trotzdem gewinnen müssen. Taktisch muss man hervorheben, dass es ein Fehler war mit zwei so defensiven 6ern wie de Jong und van Bommel zu spielen, gegen Deutschland wäre dies jedoch wiederum eine gute Option. Die Vorzeichen dieser Partie sind nun offener denn je, da die Holländer Minimum einen Punkt  (am besten drei) holen müssen um noch eine Chance auf das Viertelfinale zu haben.

Deutschland-Portugal 1:0

Schön war es lange nicht, aber dies ist das Mantra von Eröffnungsspielen. Beide Teams hatten mehr zu verlieren als zu gewinnen und so entwickelte sich ein abwartendes Spiel. Die Deutschen agierten hierbei überraschend konservativ, beide Außenverteidiger beschränkten sich auf die Defensive, welches sich natürlich auch negativ auf das Offensivspiel ausschlug. Beide Außen hatten einen schwachen Tag, auch aufgrund der fehlenden Unterstützung, während Özil sehr müde wirkte. Positiv hervorheben muss man Khedira und den Abwehrblock (von Lahm abgesehen der eines seiner schwächsten Spiele ablieferte) und natürlich die drei Punkte. Das Spiel gegen die Holländer wird den Deutschen eher liegen, da man auf einen Gegner trifft, der mehr riskieren muss. Jedoch sah man schon gegen die Portugiesen, dass die Deutsche Abwehr bei Druck gehörig ins Schwimmen gerät. Fraglich, ob man dies noch einmal so glücklich übersteht.

Bei den Portugiesen ist es genau umgedreht, sie müssen sich die Kritik gefallen lassen, dass man nicht früher die Offensive gesucht hat, da sie dort ihre stärkste Phase hatten. Veloso auf der 6 war die Entdeckung des Spiels und mit so einer Absicherung sollte Trainer Bento sich mehr trauen gegen den Angstgegner aus Dänemark. Gewinnen die Portugiesen hier haben sie auf einmal ein Finale gegen die Niederländer, und je nach Ergebnis wird es wohl nicht Portugal sind, dass hier das Heft in die Hand nehmen muss. Ein Szenario von dem sicherlich jeder Portugiese träumt.

Gruppe C

Spanien-Italien 1:1

Ohne Zweifel das Spiel der EM, für mich sogar das beste Spiel in vielen Jahren. Zwei Teams die taktisch neue (oder auch alte) Wege gehen und diese Philosophien gnadenlos gegeneinander duellierten. 

Italien behielt hier im taktischen Duell die Oberhand und es war faszinierend wie besonders De Rossi eine Art modernen Libero spielte. Die Duelle auf den Außenbahnen wurden klar gewonnen und vorne wirkten alle drei Angreifer sehr gefährlich. Obwohl Spanien das Spiel bestimmte hatten die Italiener genauso viele hochkarätige Chancen wie der Europa- und Weltmeister und das sagt denke ich genug aus. Das Spiel gegen die Kroaten wird nun das Endspiel ums Weiterkommen und verspricht ein weiteres Highlight der EM zu werden.

Die Spanier erlebten, wie in der EM-Vorschau angedeutet, dass Barcelona-Syndrom. Del Bosque verdient Lob für seine taktischen Überlegungen, jedoch wurde auch offensichtlich, dass diese noch nicht perfektioniert sind. Gerade das Sturmzentrum war oft unter- oder gar nicht besetzt. Torres blieb nach seiner Einwechslung blass und bei aller Sympathie für den Chelsea-Stürmer sollte man sich überlegen im nächsten Spiel auf Negredo zu setzen. Irland sollte jedoch trotz allem kein alt zu großes Hindernis darstellen.

Irland-Kroatien 1:3

Die Iren sind ein gutes Beispiel für eine Tendenz bei dieser EM, nämlich dass wenig Teams am Ende auch wirklich so stark Defensiv sind, wie man es in der Qualifikation noch erahnen konnte. Auch wenn viel Pech dabei war bei den Gegentoren, sprechen drei an der Zahl eine deutliche Sprache. Die große Frage wird hier jedoch sein, wie man sein Offensivspiel beleben will ohne hinten noch anfälliger zu werden. Und dann heißt der nächste Gegner ja auch "nur Spanien.

Die Kroaten hingegen präsentieren ein anderes Extrem dieser EM, nämlich die gnadenlose Offensive. Zwei klassische Angreifer auf dem Platz, dazu mit Perisic einen verkappten dritten Stürmer und mit Modric wahrscheinlich den besten tiefen Spielmacher Europas machen Geschmack auf mehr. Das Duell Modric gegen Pirlo wird ein weiteres ganz großes Mittelfeld-Duell dieser EM. Und die Kroaten werden darauf brennen den Sack zu zumachen. 

Gruppe D

England-Frankreich 1:1

Eine Punkteteilung mit der die Engländer besser leben können als die Franzosen. Englands Trainer bewies, dass er seine Teams innerhalb von kürzester Zeit zu einem funktionierendem defensivem Kollektiv pitchen kann und genau dies macht nicht nur Hoffnungen für ein Platz im Viertelfinale, nein guckt man sich die Qualität der Ukrainer und Schweden an, dann muss man sogar sagen, dass er Pflicht ist. Jedoch wird man dafür den hängenden Stürmer, an diesem Tag Young, besser ins Spiel einbinden müssen. Mit Welbeck verfügt man über einen Stürmer der sich unglaublich stark bewegt und Oxlade-Chamberlain deutete mehrmals an, wieso er vollkommen zu recht im englischen Kader ist. Da Prunkstück bleibt jedoch die Defensive, die den Franzosen oftmals nicht viel mehr als Fernschüsse genehmigte.

Die Franzosen wurden nach dieser Partie von vielen als große Enttäuschung gesehen, jedoch muss man auch hier hervorheben, dass für sie das Mantra war "es gibt mehr zu verlieren als zu gewinnen." Das fluide Offensivspiel mit dem vielen Rotieren war interessant anzuschauen, jedoch spielten die Franzosen oftmals zu langsam und überluden ihre linke Seite oftmals so extrem, dass es ein leichtes war sie dort zu stellen. Im Spiel gegen die Ukrainer ist weniger rotieren also vielleicht mehr, jedoch zweifel ich keine Sekunde an einem französischem Sieg in dieser Begegnung, die Defensive der Ukrainer um Klassen schlechter ist als die der Engländer.

Ukraine-Schweden 2:1

In einer durchschnittlichen Partie gewann die Ukrainer ihr erstes Gruppenspiel bei einer EM und haben damit wohl immerhin eine Außenseiterchance auf das Viertelfinale. Die Ukrainer zeigten, ähnlich wie im Testspiel gegen die Deutschen, dass sie nach Kontern am besten sind und ihre Schwächen in der Defensive haben. Der Torhüter und die Abwehr wirkt gegen schnell spielende Gegner alles andere als Sattelfest und so wird es interessant zu sehen, wie man sich gegen qualitativ bessere Gegner wie Frankreich und England schlagen wird.

Die Schweden hingegen verpassten die Möglichkeit zu punkten und damit Druck auf die Engländer auszuüben. Dass man gegen die Ukrainer lange eine abwartende Rolle einnahm überraschte schon sehr, da die Schweden unter dem neuen Trainer Hamren eigentlich für ihren offensiveren Spielstil bekannt waren. Auch viel wieder einmal auf, dass Ibrahimovic ein überragender Spieler ist, die Frage jedoch ist, ob er wirklich alles opfert, sobald er ein Schwedisches Trikot überzieht. Klar der beste Spieler auf dem Platz enttäuschte er mit einem äußerst eingeschränkten Bewegungsradius. Das er trotzdem die Fähigkeiten, und Möglichkeiten, hatte das Spiel alleine zu entscheiden sagt allerdings auch wieder alles über seine Qualität aus. Gegen die Engländer werden die Schweden wohl das Heft in die Hand nehmen müssen, eine interessante Konstellation.

Generelle Tendenzen der EM bisher

Eingespielte Teams sind im Trend: Deutschland und Russland sind nur zwei Beispiele von Teams, die auf regelrechte Vereins-Blocks setzen. Spanien ist ebenso ein Beispiel hierfür.

Schwache Defensiven: Selbst Teams, die in der Qualifikation noch super Defensiv waren enttäuschten bisher. Hier kann man gerade die Iren als Beispiele nennen, aber auch die Griechen und die Polen passen gut in dieses Schema.

Überraschend viele Tore: Hatte ich eher mit einer torarmen EM gerechnet wurde ich bis jetzt positiv überrascht. 21 Tore in 8 Begegnungen lesen sich soweit recht gut bisher. Mehr davon!

Stürmer schießen nicht nur Tore: Die EM zeigt einmal mehr auf, dass der Typ Knipser zwar immer noch gerne gesehen ist, aber mittlerweile andere Fähigkeiten auch enorm wichtig sind. Der Däne Bendtner war dafür am ersten Spieltag ein gutes Beispiel, indem er als Ballhalter und teilweise Entlastung auf dem Flügel seine Arbeit klasse verrichtete ohne ein Tor zu erzielen. Auch Griechenlands Samaras war eines dieser Beispiele.

Die klassischen Nationen gibt es nicht mehr: Die Holländer spielen keinen mitreißenden Offensivfußball mehr, die Deutschen wesentlich offensiver und nicht mehr so pragmatisch und die Italiener nicht mehr so Defensiv. Die alten Vorurteile (und natürlich auch Wahrheiten) sind heutzutage mehr aus der Mode denn je.

Wenig Veränderungen in den Top-Teams: Teams wie Deutschland, Holland und Spanien haben im Vergleich zu WM 2010 nur sehr wenige Änderungen vorgenommen. Bei den Deutschen spielte man fast mit einer identischen Elf wie 2010, die Niederländer wurden verletzungsbedingt zu kleineren Änderungen gezwungen, und die Spanier nominierten 19 der 23 Spieler, die schon die WM gewannen. Hätten Puyol und Villa sich nicht verletzt wären es sogar 21 gewesen.

Wenig taktische Veränderungen: Abgesehen von dem Spiel zwischen Italien und Spanien, Dreierkette gegen 4-6-0 Verschnitt, gibt es keine großen taktischen Variationen bisher. Die Dänen spielten teilweise mit einem abkippenden 6er welcher die Innenverteidiger weit nach Außen schob, aber ansonsten spielen alle Teams eine Art des 4-4-2 oder 4-2-3-1.

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