Donnerstag, 23. August 2012

Die Rudelbildung Saisonvorschau: Borussia Dortmund

Es ist ein Duell auf Augenhöhe. Die Dortmunder haben das geschafft, was in den letzten Jahren keinem anderen Team gelang: Sie sind ein würdiger Konkurrent des großen FC Bayern geworden. Die Diskussion wer der Meisterschaftsfavorit ist geht ebenfalls seit Wochen durch die diversen Foren und Stammtisch-Diskussionen. Es ist ein enges Rennen, doch eins ist sicher: Abstürzen werden die Dortmunder nicht. Teil achtzehn der Rudelbildung Saisonvorschau.

Neuzugänge und Abgänge

Im Gegensatz zum Konkurrenten aus München tat sich wenig bei den Dortmundern. Vier neue wurden verpflichtet, das Sahnestück ist Marco Reus, der nominell der Kagawa-Ersatz ist. Julian Schieber kam aus Stuttgart und ist sozusagen der Barrios-Ersatz (auch wenn beide natürlich komplett unterschiedliche Spielertypen sind). Dazu kam der junge Bittencourt aus Cottbus, ein Mittelfeld-Talent, und Oliver Kirch aus Kaiserslautern, der als Allrounder für den Defensivverbund gedacht ist

Mit Shinji Kagawa verlor man einen der überragenden Spieler der Vorsaison an Manchester United. Wie erwähnt verließ auch Lucas Barrios den Verein gen China. Ansonsten verabschiedete man sich von Reservespielern oder verlieh jüngere Spieler um ihnen Spielpraxis zu ermöglichen. Der Kader hat in der Breite noch einmal zugelegt.

Interessant anzumerken ist, dass die Dortmunder trotz des Millionen-Transfers von Marco Reus nur ein minimales Transferminus zu verzeichnen haben. Die Transferkosten wurden also mit den Abgängen aufgefangen. Jedoch muss man bedenken, dass die Dortmunder in den letzten Monaten mit etlichen Leistungsträgern verlängert haben und sich das Lohnniveau des Kaders damit auch der sportlichen Entwicklung angepasst hat.

Taktik

Jürgen Klopps Team wird auch in dieser Saison wieder aus einer 4-2-3-1 Formation agieren. Hier leben die Dortmunder von ihrer läuferischen Leistung, die sich vor allem in einem überragendem Gegenpressing niederschlägt und ihrem schnellen Umschaltspiel.

Auch wenn sich vom Personal etwas ändert, Reus ersetzt Kagawa, wird die Spielweise der Dortmunder sich nicht extrem verändern. Eine interessante Veränderung könnte jedoch im Pressing stattfinden. In der Vorsaison presste man aus einer 4-4-2 Formation heraus, in der Kagawa sich auf die Höhe von Stürmer Lewandowski positionierte. In der Vorbereitung wurde deutlich, dass man nun oft aus einem 4-2-3-1/4-1-4-1 presst. Im Supercup gegen die Bayern wurden so einige Lücken in den Halbfeldern offenbart, die die Bayern zu nutzen wussten. Diese Form des Pressing lässt die Dortmunder unmittelbar weniger Kompakt erscheinen. Es wird spannend zu beobachten wie Jürgen Klopp das Pressing schlussendlich aufziehen wird.

Auch in der Offensive darf man gespannt sein, wie die Dortmunder agieren werden. Im Supercup wurde es deutlich, dass man etliche Varianten in Petto hat. Hier agierte Perisic in der zweiten Halbzeit als Sechser, während man eine offensive Dreierreihe mit Reus links, Schieber in der Mitte und Götze rechts stellte. Diese agierten mehr invers als ihre Vorgänger Kuba (rechts), Reus (Mitte) und Großkreutz (links). Dies sind nur zwei der unzähligen möglichen Offensivreihen, die Klopp aufstellen kann. Und mit jeder möglichen Kombination ergeben sich andere taktische Optionen.

Testspiele

Zehn Testspiele bestritten die Dortmunder in der Vorbereitung, wesentlich mehr als die Münchener Bayern. Von diesen wurden sechs gewonnen und vier verloren (das gegen Werder Bremen allerdings im Elfmeterschießen). Die Dortmunder ließen im LIGA TOTAL Cup und im Supercup allerdings keinen zweifel daran, dass sie sich schon wieder auf hohem Niveau befinden. Gerade das (Fast-) Comeback gegen die Münchener war aller Ehren wert. Allerdings wurde hier auch deutlich, wie schwer es für die Dortmunder wird, wenn man nicht 100 Prozent der Leistungsfähigkeit abruft.

Baustellen

Der Kader ist auf fast allen Positionen überragend besetzt. Aber eben nur auf fast allen. Die Außenverteidiger Piszczek und Schmelzer können nicht adäquat ersetzt werden. Schmelzer mit Abstrichen durch Löwe, doch für den polnischen Rechtsverteidiger gibt es nicht annähernd Ersatz in der Hinterhand.

Passsicherheit: Auch wenn die Dortmunder im Umschaltspiel schnell und riskant agieren müssen, was zwangsläufig zu Fehlpässen führt, müssen sie ihr Passspiel verbessern. Hier war man in der letzten Saison nur im oberen Mittelfeld zu finden.

Luftduelle: Die Borussen gewinnen nur die Hälfte ihrer Kopfballduelle, das ist nicht einmal Liga-Mittelmaß.

Abseits: Nur Mainz lieft in der Vorsaison öfter ins Abseits als die Dortmunder.

Standardsituationen: Die Dortmunder erzielen wesentlich weniger Tore nach ruhenden Bällen als die anderen beiden Topteams aus Gelsenkirchen und München. Nur 25 Prozent seiner Tore erzielten der BVB nach ruhenden Bällen, eine schwache Quote.

Stärke

Genau wie bei den Bayern werden hier nicht alle Stärken hervorgehoben, sondern jene, die dem normalen Fußballfan nicht so geläufig sein könnten.

Serie: Seit dem 18. September 2011 sind die Dortmunder in der Liga ungeschlagen. Die unglaubliche Serie beträgt jetzt 28 Spiele. Fortsetzung folgt?

Ballermänner: Kein Team verzeichnete in der letzten Saison mehr Torabschlüsse als die Dortmunder.

Fans: Man muss bis in die Saison 1997/98 zurück gehen um eine Spielzeit zu finden, wo die Dortmunder nicht den höchsten Zuschauerschnitt der Liga hatten.

Fair geht vor: Die Dortmunder waren, genau wie vor zwei Jahren, mit Abstand das fairste Team der Liga. Besonders bemerkenswert ist, dass man insgesamt nur 33 gelbe Karten sah.

Wenig Fouls: Nur Borussia Mönchengladbach foulte weniger als die Dortmunder. Trotz ihrem energischen Pressing begeht der BVB wenig unnötige Freistöße.

Konterstark: Zusammen mit dem Rivalen Schalke 04 erzielten die Dortmunder die meisten Kontertore der Liga.

Positives Überraschungspotential

Ivan Perisic ist so etwas wie der Edeljoker der Liga. Obwohl er oft nur als Joker kam brachte es der Kroate auf stattliche zehn Scorerpunkte. Jetzt hat es den Anschein, als ob Klopp die linke Seite in Zukunft etwas offensiver besetzen möchte. Hier ist Perisic aufgrund seiner Torgefahr und technischen Fähigkeiten ein Kandidat. Wie groß sein Potential ist deutete auch im Pokal wieder einmal an, wo er zum 3:0 Endstand traf. 

Potentieller Gefahrenherd

Hinten rechts droht bei einer längeren Verletzung von Piszczek ein Engpass.

Kann Dortmund wieder eine ganze Saison sein wahnsinnige Pensum abspulen? Wenn nur fünf Prozent fehlen bekommen die Dortmunder Probleme. Dies wurde im Supercup schon deutlich.

Mögliche Startelf

Weidenfeller - Piszczek, Subotic (Felipe Santana), Hummels, Schmelzer - Gündogan, Kehl (Bender) - Blaszczykowski (Götze), Reus, Perisic (Großkreutz) - Lewandowski

Prognose

Die Dortmunder verfügen über ein großes Plus: Ihre Eingespieltheit. Mit Reus muss man nur einen Spieler neu integrieren und dieser ähnelt in seiner Spielweise teils dem abgewanderten Kagawa. Dies können die Münchener nach einem erneutem Umbruch nicht von ihrem Kader behaupten, auch wenn dieser größtenteils in der Breite gestärkt wurde.

Die Dortmunder haben ihren Stil gefunden und entwickelt und sich so zu dem, meiner Meinung nach, besten Team Deutschlands gemausert. Auf jeden Fall National. Der internationale Wettbewerb ist eine andere Geschichte und hier führt kein Weg dran vorbei, dass die Dortmunder den Münchenern Lichtjahre hinterher sind. Dies ist für die Vorschau jedoch nicht so wichtig, da sie sich mit der Bundesliga beschäftigt.

Ein weiteres Plus ist die Unbekümmertheit der Dortmunder. Während die Bayern schon wieder die verbale Keule schwingen und davon reden, dass sie wieder die Nummer eins in Deutschland werden müssen, können die Dortmunder dies entspannt betrachten. Denn sie sind die aktuelle Nummer eins in Deutschland und haben nicht den Druck Meister zu werden.

Wie schnell es gehen kann, wenn man seine Leistungsobergrenze nicht in jedem Spiel erreicht haben die Dortmunder im Supercup gesehen. Das war Halbzeit eins. Was möglich ist, wenn man sie erreicht auch. Das war Halbzeit zwei. 

Das Duell Dortmund-Bayern wird auch in dieser Saison wieder die Fans in den Bann ziehen. Keine anderen Vereine verfügen über so viel Qualität, dass sie diesen beiden Teams die Meisterschaft streitig machen könnten. Doch wer nun am Ende deutscher Meister wird ist schwer zu sagen.

Bayern Kapitän Lahm formulierte es treffend: "Dortmund wurde in den letzten zwei Jahren Meister, also sind sie der Favorit." Ein Machtwechsel ist noch nicht vollzogen in der Bundesliga, aber die Kräfteverhältnisse haben sich verschoben. Bayern muss Meister werden, Dortmund will in die Champions League und kann sich trotzdem nicht davor wehren, der Topfavorit auf den Meistertitel zu sein. Auf lange Sicht schlägt Kontinuität und das Kollektiv nämlich zumeist individuelle Qualität. Platz 1-2.

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