Donnerstag, 9. August 2012

Die Rudelbildung Saisonvorschau: Hamburger SV

Der Dino lebt, doch ist er vom aussterben bedroht? Seit nunmehr fünfzig Jahren sind die Hamburger nun Mitglied in der Bundesliga- kein Bundesligist kann dies von sich behaupten. Doch folgt nach der letztjährigen Katastrophensaison, Platz 15, ein weiterer Abstiegskampf? Teil vier der Rudelbildung Saisonvorschau.



Neuzugänge und Abgänge

In der letzten Saison vollzog der neue Sportchef Arnesen den (überfälligen, vielleicht sogar verspäteten?) Umbruch um, aufgrund klammer Kassen, einen Neuanfang an der Elbe zu starten. Wirft man einen Blick auf die Transferaktivitäten dieser Saison fällt allerdings auf, dass sich in der Hansestadt mal wieder einiges tut.

Auf der "Haben-Seite" haben die Hamburger bis jetzt wenig zu verzeichnen. Beister kehrte von seiner erfolgreichen Leihe aus Düsseldorf zurück, dazu verpflichtete man den ehemaligen Nationaltorhüter Adler und den Letten Artem Rudnev, der für die notwendigen Tore sorgen soll.

Nachdem beim Umbruch in der vergangenen Saison schon 16 Spieler den Verein verlassen mussten waren es in dieser Saison (bisher) abermals zehn Spieler, die ihre Zelte in Hamburg abbrachen.

Die prominentesten Abgänge findet man im Sturm wieder. Tschüß Petric und bye bye Guerrero: Hamburg gab also seinen etatmäßigen Sturm der Vorsaison ab. Dazu verkaufte man den Türken Töre, da man Geld für andere Neuzugänge, auf anderen Positionen benötigte. Die anderen Abgänge fallen in die Kategorie Trainingspartner und zeigen ganz gut, wo es beim HSV in den letzten Jahren fehlt. Wahrlich nicht an Spielern, sondern an guten Spielern.

Taktik

Hamburgs Trainer Fink vertraute in der Vorsaison einem 4-4-2, was bei Ballbesitz oft zu einem 3-5-2 wurde. Hier kippte einer der Sechser, zumeist Rincon, nach hinten ab, während die Innenverteidiger das Spiel breit machten. So gab sich für die Außenverteidiger die Möglichkeit weit aufzurücken. Dies passte hervorragend in die Philosophie von Fink, der dominant auftreten möchte. Jedoch funktionierte dieses in der vergangenen Saison eher mäßig, welches den HSV-Trainer zum Umdenken bewegte.

In den bisherigen Testspielen konnte man bisher beobachten, dass Fink auf den abkippenden Sechser verzichtet und stattdessen die beiden Sechser höher agieren lässt. Da die Außenspieler auch nach Innen ziehen wird die Mitte so, theoretisch, enorm verengt und zwingt den Gegner  über die Außen zu agieren. So presst der HSV wesentlich höher.

Formationstechnisch agieren die Hamburger in einem Mix aus 4-4-1-1 und 4-2-3-1. Es ist zu erwarten, dass dies auch die bevorzugte Taktik in der Saison wird. Dies hängt im besonderen mit den Personalien zusammen, die man gerne noch tätigen möchte. Dazu gleich mehr.

Testspiele

Die Hamburger bekleckerten sich zu Beginn der Vorbereitung wahrlich nicht mit Ruhm. So kam man nur zu einem 1:1 gegen Regionalliga-Aufsteiger Rosenheim und auch bei einem anderen Regionalligsten, Holstein Kiel, kam man nur zu einem Unentschieden. Das man zwischenzeitlich den Peace Cup gewann ließ zwar die Kasse klingeln, Aufbruchstimmung entstand dadurch jedoch kaum.

Dies bestätigten auch die letzten vier Testspiele, wo der HSV gegen den FC Barcelona (war es eine B- oder C- Elf?), Borussia Dortmund, den FC Bayern und den dänischen Meister Nordsjælland zwar defensiv verbessert auftrat, nach vorne jedoch vollkommen harmlos war. So sprangen aus diesen vier Testspielen drei Niederlagen und nur ein Tor heraus. Echte Gradmesser sind Vorbereitungsspiele eher selten, Anlass zur Sorge sollten sie in Hamburg trotzdem geben.

Baustellen

Da der HSV sich seit nunmehr zwei Jahren im (Dauer-) Umbruch befindet hapert es auch weiterhin an mehreren Stellen.

In der Innenverteidigung haben die Hamburger mit dem Österreicher Scharner nunmehr einen kopfballstarken und routinierten Abwehrspieler verpflichtet. Doch da Westermann diese Saison im defensiven Mittelfeld agieren soll bleibt die Frage, ob die Hamburger Innenverteidigung gut genug ist? Mancienne bewies seine Qualitäten ansatzweise in der letzten Saison, während Bruma seine besten Spiele auf der rechten Abwehrseite absolvierte. Wieso man seinen besten Innenverteidiger, Westermann, nun auf einer Position agieren lässt, wo man sowieso schon überbesetzt ist, mag verwundern.

So ist es auch nicht weniger ironisch, dass der HSV mit Rincon, Kacar, Tesche und Skjelbred über vier defensive Mittelfeldspieler verfügen und trotzdem auf der Suche ist (was auch damit zusammenhängt, dass Rincon und Kacar verletzt sind- doch was ist, wenn diese Spieler von ihren Verletzungen zurückkehren?) Mit dem Kroaten Milan Badelj wurde anscheinend der richtige Mann gefunden, doch trifft dieser erst spät zum Team und verpasst somit die gesamte Vorbereitung. Als Alternative bot sich im LIGA Total Cup der Italiener Sala an, der dort ein gutes Spiel gegen die  Dortmunder bestritt. Dieser ist allerdings gelernter Außenspieler. Dem HSV mangelt es also sichtlich nicht an Optionen im defensiven/zentralen Mittelfeld, sondern an Qualität auf dieser Position.

Auch auf der offensiven Mittelfeldposition suchen die Hamburger noch. Träumer in und um Hamburg schreien seit Jahren den Namen eines Holländers, der kurz RvdV verkürzt wird. Das ist sinnbildlich für die Erwartung (und Verdrängung der Realitäten) in der Hansestadt. Mit Tolgay Arslan verfügt man über einen Spieler mit guten Anlagen, jedoch scheint er nicht die bevorzugte Variante des Trainer zu sein. Auch ein Beister und Ilicevic könnten diese Position bekleiden, doch die Hamburger suchen lieber auf dem Transfermarkt. So ist es tatsächlich der Fall, dass man über zehn Mittefeldspieler verfügt und trotzdem noch zwei neue verpflichten möchte. Hier erwähne man auch noch, dass mit Son und Westermann zwei "Falschgänger" im Mittelfeld auflaufen werden. Eine gelungene Kaderzusammenstellung ist dies wahrlich nicht.

Auch im Sturm drückt der Schuh. Hier verfügt man über Rudnev und Berg (Son spielt im Mittelfeld), doch die Hamburger Verantwortlichen scheinen nicht überzeugt zu sein, dass einer von diesen Tore garantieren kann. Berg zeigt sich verbessert, aber ist weit weg davon eine Tormaschine zu sein. Rudnev muss sich merkbar erst einmal an das höhere Niveau in Deutschland gewöhnen. Da beide bei ihren vorherigen Stationen immer getroffen haben sollte man in Hamburg vielleicht mal die Frage stellen, ob es nicht intern hapert. Fakt ist auf jeden Fall, dass der HSV im Sturm auch noch sucht.

Diese Baustellen kann man eigentlich auch wesentlich kürzer beschreiben. Das Problem der Hamburger ist seit Jahren, dass sie auf dem Papier eine starke Truppe haben, diese jedoch nie ihr Potential abrufen kann. Woran dies liegt wird sicherlich auch in dieser Saison die große Frage sein. Und erst wenn sie gelöst ist wird man in Hamburg auch wieder bessere Zeiten erleben.

Stärke

Glücklicherweise, für die Hamburger, verfügt der Bundesliga-Dino nicht nur über viele Baustellen, sondern auch einige Stärken.

Mit Rene Adler hat man einen klasse Keeper verpflichtet, der das Niveau anheben wird. Gerade verbal spielt der ehemalige Leverkusener in einer anderen Liga als sein Kollege Drobny. Ein besonders wichtiger Aspekt in diesem Hamburger Team.

Auch hinten links verfügen die Hamburger über Qualität, da Aogo zu den besten seiner Zunft gehört. Man stelle sich vor, er würde in einem funktionierenden Team agieren. Dann wäre es um seine Chancen in der Nationalmannschaft sicherlich besser bestellt.

Die große Stärke der Hamburger sind allerdings die Außenpositionen. Mit Jansen, Ilicevic, Son und Beister ist man auf diesen Positionen doppelt gut besetzt. So konnte man es sich erlauben Töre zu verkaufen und trotzdem sehr stark besetzt zu sein. Ähnlich wie in so vielen anderen Fällen in Hamburg muss das Team jedoch funktionieren, damit Spieler wie Jansen und Ilicevic ihr wahres Potential abrufen können.

Positives Überraschungspotential

Aus Sicht des HSV gibt es etliche Spieler zu nennen. Dies hängt damit zusammen, dass man die Erwartungshaltung wirklich zurück fahren muss. Dies tun viele HSV Fans wahrscheinlich nicht, aber mein Job ist es solche Dinge nüchtern und realistisch zu bewerten.

Im Sturm könnten sowohl Berg als auch Rudnevs überraschen, da man wenig von ihnen erwartet. Ich weiß, dass dies abgedroschen klingt, aber man kann es, leider, nicht treffender formulieren.

Das selbe gilt für die Innenverteidigung, wo der Engländer Mancienne sich zu einer Stütze entwickeln könnte.

Schlussendlich kann man hier den jungen Spielmacher Arslan hervorheben. Dieser fiel bisher, als einer der wenigen, positiv in der Vorbereitung auf. Jedoch hängt dies eng mit der Frage zusammen, was der HSV auf dieser Position noch tun wird.

Potentieller Gefahrenherd

Die Hamburger umgeben so viele Fragezeichen, dass man die potentiellen Überraschungen auch hier alle erwähnen muss.

Mancienne, Rudnev und Berg haben allesamt auch das Risiko, dass sie enttäuschen könnten. Und das wäre gerade im Sturm fatal für die Hamburger. Wo sollen die Tore sonst her kommen?

Die, oft unrealistische, Erwartungshaltung und die internen Probleme sind allerdings weiter das Hauptproblem. Was ist, wenn man gegen den Abstieg kämpfen muss- was wahrlich nicht unrealistisch ist-wie reagiert das Umfeld dann? Eine erneute Trainerentlassung ist bequem, aber kaum die Lösung aller Probleme.


Mögliche Startelf

Adler - Diekmeier, Bruma, Mancienne, Aogo- Sala (später Rincon oder Badelj), Westermann - Son, Arslan, Jansen - Berg

Prognose

Die Hamburger sind eine der großen Wundertüten in dieser Saison. Läuft es gut wird die Mannschaft nichts mit dem Abstieg zu tun haben und sich im Mittelfeld platzieren. Läuft es hingegen schlecht könnte der HSV am Ende dieser Saison erstmalig absteigen (oder in die Relegation müssen). 

Wie so oft heißt es beim HSV auf dem Papier "dafür sind die zu gut", doch das Problem der Hamburger ist eben seit längerem, dass sie die Erwartungen nicht erfüllen. Im Gegenteil hat man wieder und wieder enttäuscht. Wünschen tut man es keinem, doch HSV Fans sollten sich mit dem Gedanken anfreunden, dass das einzige Saisonziel Nichtabstieg lauten kann. Platz 13-15.

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