Samstag, 22. September 2012

Rückschau zum Rudelbildung Spiel der Woche 1. FC Nürnberg - Eintracht Frankfurt 1:2



Es war das Duell der Überraschungsteams der bisherigen Saison. Der Tabellenzweite aus Frankfurt war zu Gast beim Tabellensechsten aus Nürnberg. Es entwickelte sich ein in der Schlussphase packendes Spiel, dass die Frankfurter glücklich, aber nicht unverdient mit 2:1 für sich entschieden. Ein Rückblick auf die entscheidenden Faktoren für den vierten Saisonsieg der Eintracht.










Taktische Grundausrichtung




Beide Teams gingen im Vergleich zur Vorwoche unverändert in die Partie und versuchten zumeist über die Außen zum Erfolg zu kommen. Während Frankfurt hier seine Außenverteidiger weit aufrücken ließ agierte Nürnberg lange sehr konservativ und ließ Pinola und Chandler, später Balitsch, nur selten hoch positioniert agieren. Dies änderte sich im Laufe des Spiels, dazu jedoch später mehr.




Im Mittelfeld der Frankfurter agierte Inui sehr invers während Aigner zumeist die Linie Außen hielt und die Flanke suchte. Von den beiden Sechsern ließ sich einer oft sehr tief fallen, während der andere mehr als Box-to-Box Spieler agierte. Bei den Nürnberger sah man eine mehr starre Aufteilung, wo die beiden Sechser Balitsch und Simons ihre Position hielten. Die Außen rochierten gelegentlich, neigten jedoch mehr dazu eine Seite zu überladen als permanent die Positionen zu wechseln. Der Japaner Kiyotake agierte wie üblich in seiner sehr freien Rolle hinter dem Stoßstürmer.






Beide Teams suchten ziemlich häufig, fast jeder fünfte Pass war ein langer Ball, den Weg mit hohen Bällen nach vorne wo die Stoßstürmer Pekhardt und Occean - später Hoffer - den Ball festmachen sollten. Frankfurt spielte außerdem die Führung in die Karten, weil man sich somit zurück ziehen konnte und Nürnberg die Initiative überließ. Hiermit hatte der FCN sichtlich Probleme.




Der abkippende Sechser auf beiden Seiten




Beide Teams ließen in einigen Situationen jeweils einen der Sechser nach hinten abkippen um eine Dreierkette zu bilden. Die Frankfurter taten dies öfter als die Nürnberger, ein taktischer Kniff der auch in den vorherigen Spielen oft angewendet wurde.







Das sah in der Praxis so aus: Rode, später Lanig, ließen sich zwischen die Innenverteidiger fallen. Diese fächerten dann nach Außen, sodass eine Dreierkette entstand. Die beiden Außenverteidiger Oczipka und Jung rückten dann weit nach vorne auf und übernahmen quasi die Positionen der Flügelspieler. Diese rückten stattdessen ein und agierte als halbe Zehner  hinter dem Stürmer, während Meier und Rode als Doppel - Acht agierten. Aus dem 4-2-3-1 wurde dann eine Art 3-2-2-2-1.




Die Nürnberger benutzen dieses taktische Feature erst in der Schlussphase. Zu Beginn agierte man relativ starr in einem 4-2-3-1 System wo die beiden Außenverteidiger Pinola und Chandler sich merklich zurück hielten. Die beiden Sechser Simons und Balitsch hielten die Position, während die Innenverteidiger sich Breit postierten, jedoch kaum produktiv nach vorne spielen konnte da das Spiel der Nürnberger zu statisch war. Im Mittelfeld wurde überladen, zumeist auf der rechten Seite, jedoch gab es wenig Überraschungsmomente. Es war zumeist in starres 4-2-3-1. Erst in der Schlussphase stellte Hecking um auf eine 4-4-2 Rautenformation, aber dazu später mehr.












Frankfurt überlässt Nürnberg das Spiel - ein kluger Schachzug




In den bisherigen Begegnungen war die Frankfurter Eintracht sehr darauf erpicht das Heft in die Hand zu nehmen und zu agieren statt zu reagieren. In der gestrigen Begegnung verhielt sich dies nach dem Führungstreffer jedoch anders. 




Hier überließ man Nürnberg nach etwa dreißig Minuten die Initiative und spielte auf Konter. Hatte die Eintracht in den ersten zwanzig Minuten noch 56 Prozent Ballbesitz zu verzeichnen so waren es nur 45 Prozent nach neunzig Minuten.







Nürnberg wurde so gezwungen die Initiative zu übernehmen und dies schmeckte der Hecking - Elf gar nicht. Bezeichnenderweise entstanden fast alle Torchancen aus ruhenden Bällen oder Fernschüssen - sowie Kiyotakes Fernschuss an den Pfosten in Halbzeit eins - erst gegen Ende erspielten die Franken sich Torchancen.







Nürnberg war also gezwungen sich nach vorne zu spielen/kombinieren und dies gelang kaum. Zum einen, wie angesprochen, weil man taktisch zu defensiv agierte und zum anderen weil es sowohl am Spiel ohne Ball und auch am Überraschungsmoment mangelte.










Unglaublich hohes Tempo - aber auch viele Fehlpässe




Es war ein Spiel der Dauerläufer. Unglaubliche 247 Kilometer liefen beide Teams insgesamt - die Nürnberger nur Minimal mehr als die Frankfurter. Dies wirkte sich jedoch auf das Passspiel beider Teams aus. Hier fehlte oft die nötige Konzentration im letzten Drittel und teilweise auch schon im Aufbauspiel. Als das Spiel ab der 60. Minute offener wurde und hin und her wogte schlichen sich natürlich auch mehr und mehr Fehlpässe ein. So verzeichneten beide Teams am Ende eine sehr hohe Fehlpassquote von 23-25 Prozent, welche verhinderte das aus einem durchschnittlichen Bundesligaspiel ein richtig gutes wurde.






Standardsituationen




Dominierte die Eintracht spielerisch waren es die Nürnberger, die nach Standardsituationen im Vorteil waren. Pekhart strahlte nach Freistößen von Kiyotake - Freistößen Gefahr aus und nicht überraschend fiel der Anschlusstreffer der Nürnberger auch nach einem ruhenden Ball.







Fast 60 Prozent aller Torabschlüsse verzeichnete der 1. FCN nach einem ruhendem Ball - bei den Frankfurtern waren es nur schlappe 16 Prozent. Frankfurt passte sich dieser Realität an und beging nach etwa zwanzig Minuten 

weniger dumme Fouls im Halbfeld und beraubte Nürnerg so seiner größten Stärke. Trotzdem blieben die Franken gefährlich in der Luft, gerade nach der Einwechslung von Polter.





Ein Grund für die schwache Quote der Frankfurter war die bevorzugte Eckballvariante. In der Vorwoche war man gegen den HSV zum Torerfolg gekommen indem man eine Ecke halbhoch auf den ersten Pfosten geschlagen hatte und der Ball dann durchrutschen ließ. So fiel auch der Treffer zum 2:0 in der Partie gegen die Hamburger. Dies versuchte man auch gegen Nürnberg allerdings ohne Erfolg. Die Nürnberger waren sichtlich auf diese Variante von Oczipka oder Inui eingestellt und klärten die zahllosen Versuche problemlos. Und doch resultierte ein Treffer der Eintracht aus einer Standardsituation.








Tore





Das 1:0 für die Frankfurter resultierte aus eben so einer schwachen Ecke von Inui. Chandler klärte diese eigentlich ausreichend, der Ball wurde jedoch sofort wieder in die Gefahrenzone geköpft - hier verlor Nürnberg ein wichtiges Kopfballduell - und dann nutzte Frankfurt das Chaos, dass beim rausrücken der Nürnberger entstanden war. 





Anderson verlängerte eher glücklich in den Lauf von Hoffer der in Gerd Müller Manier zum 1:0 traf. Pinola rückte hier zu langsam raus und hob somit das Abseits auf und ein klasse Torwart entschärft an einem guten Tag auch den Schuss vom Hoffer. Alles in allem ein glücklicher Treffer für die Eintracht.




Der Treffer zum 2:0 war eine starke Einzelaktion vom Japaner Inui der drei Nürnberger wie Slalomstangen stehen ließ und dann abgezockt flach in die lange Ecke einschoss. Schäfer war hier ohne Chance, jedoch war das Abwehrverhalten von Chandler und Mak in dieser Szene dilettantisch. Anstatt Inui wirkungsvoll zu Doppel und nach Außen abzudrängen öffneten sie ihm den Raum in der Mitte. Der Japaner erkannte dies und sagte danke. Dies war besonders ärgerlich für den Club da der Treffer genau in die, bis Dato, größte Drangphase des Clubs fiel.




Der Anschlusstreffer zum 1:2 resultierte wenig überraschend aus einer Standardsituation. Nach einem unnötigen Foul der Frankfurter im Halbfeld brachte Kiyoktake den Ball nach innen, wo sich Polter von Lanig gelöst hatte, und den Ball unhaltbar für Trapp einköpfte. Nürnberg nutzte somit wieder einmal seine Stärke nach einem ruhenden Ball - es war schon das fünfte Tor, Ligaspitze - während Frankfurt genau wie in der Vorwoche gegen den HSV einen Gegentreffer nach einem ruhenden Ball bekam.





Einwechslungen Frankfurt - Positionsbezogen und Effektiv





Es war ein ungewöhnliches Spiel, da Frankfurt schon den ersten zwanzig Minuten gezwungen wurde zweimal zu wechseln. Schwegler und Occean verletzten sich dafür kamen Hoffer und Lanig. Auf dem Papier hätte dies die Eintracht schwächen können zwei so zentrale Spieler zu verlieren - tat es jedoch nicht. Die Nürnberger bekamen dies nie so richtig ausgenutzt und die Frankfurt scheint erstaunlich gefestigt zu sein. Das Konzept scheint sehr gut zu greifen, denn sowohl Hoffer als auch Lanig erfüllten ihre Rolle sehr gut.




Lanig leitete das 2:0 durch Inui mit ein, patzte dann allerdings vor dem Nürnberger Anschlusstreffer durch Polter. Alles in allem glänzte Lanig jedoch defensiv durch gute Zweikampfführung - seine 79 Prozent gewonnenen Zweikämpfe waren Spitzenwert der Begegnung - auch wenn er nicht so auffallend agierte wie sein Nebenmann Rode.







Hoffer erzielte das 1:0 und auch wenn er die meisten Zweikämpfe verlor sorgte er jederzeit für Unruhe vor dem Tor der Nürnberger - besonders weil er den beiden Innenverteidigern in den direkten Laufduellen überlegen war. 







Der dritte Frankfurter Wechsel Matmour für Hoffer war dann nur ein positionsbezogener Wechsel. Veh brachte hier in den letzten Minuten einen schnellen Konterstürmer für einen ausgepumpten Hoffer.








Einwechslungen Nürnberg - Effektiv aber zu spät








Bei den Nürnbergern wurde auch dreimal gewechselt und auch diese Wechsel verfehlten ihre Wirkung nicht - auch wenn ich finde, dass sie teils zu spät kamen.




Erst nach dem 0:2 durch Inui wechselte Hecking und dann gleich doppelt. Mak und Esswein gingen dafür kamen mit Frantz und Gebhardt zwei neue Spieler für die Außenpositionen. Während die Auswechslung von Mak nachvollziehbar war, der Slowake sorgte Offensiv für wenig Belebung und patzte Defensiv vor dem Frankfurter 2:0, kann man über die von Esswein sicherlich streiten.







Ihm gelang ebenfalls wenig, aber er belebte das Spiel doch teilweise. Die Kritik richtet sich auch nicht so sehr gegen den Wechsel an sich - denn sowohl Gebhardt als auch Franzt sorgten Außen für mehr Druck - sondern die taktische Komponente, die ich in Frage stelle.




Frankfurt agierte zu diesem Zeitpunkt sehr Defensiv und mit nur einem Stürmer - wieso stellte Hecking nicht auf früher auf die Raute um oder installierte eine Dreierkette?







Erst in der 70. Minute kam mit Polter für Chandler ein zweiter Stürmer. Balitsch rückte nun nach rechts hinten, sodass man nominell in einer 4-4-2 Rauten Formation agierte. Dass man beide Innenverteidiger auf dem Platz behielt kann ich aufgrund der Kopfballstärke dieser nachvollziehen.







Doch wieso wechselte man mit Chandler einer der besten Flankengeber im Teams aus und stellte dann einen nominellen defensiven Mittelfeldspieler auf, der milde gesagt auch nicht gut flanken kann? 




Mit Feulner befand sich auf der Bank ein wesentlich spielstärkerer Akteur, der in meinen Augen eine bessere Wahl gewesen wäre. Dies hätte jedoch vorausgesetzt, dass Hecking vorher anders gewechselt hätte.











Polter zu bringen war natürlich richtig, aber wenn ich die letzten zwanzig Minuten auf Flanken setzen will nehme ich nicht einen meiner besten Flankengeber, Chandler, raus und spiele mit Balitsch als rechtem Verteidiger. Genau wie man dann Pinola weiter nach vorne ziehen muss damit dieser auch mal zum Flanken kommt. Die Nürnberger Außenverteidiger schlugen zusammen nur vier Flanken in der gesamten Begegnung - das war viel zu wenig gegen so anfällige Frankfurter.




Fazit








Partien mit der Frankfurter Eintracht bleiben auch weiterhin torreiche Begegnungen. Alles in allem gewinnt die Eintracht eine ausgeglichene Partie verdient, wenn man die gesamten neunzig Minuten betrachtet, muss in der Schlussphase jedoch froh sein, nicht nur mit einem Punkt im Gepäck die Heimreise angetreten zu haben. Die individuelle Klasse der Frankfurter war an diesem Abend höher - Inui stach Kioytake aus - und auch taktisch war Frankfurt mit seinen kleinen Kniffen - reagieren nach dem 0:1 und Nürnberg kommen lassen - leicht im Vorteil.




Die beiden Trainer fanden nach Spielschluss die richtigen Worte. So urteilte Armin Veh:




"Wir haben heute eine Viertelstunde gebraucht und haben dann mit den Ausfällen noch zwei Nackenschläge hinnehmen müssen. Aber dann haben wir richtig gut gespielt und uns tolle Chancen erarbeitet. Aus dem Spiel heraus hatten wir Nürnberg im Griff, bei den Standards sind sie natürlich immer sehr gefährlich."




Auch Nürnberg Trainer Hecking fand die passende Analyse:




"Mit dem ersten Torschuss geraten wir dann in Rückstand, das hat uns komplett den Rhythmus genommen. Als wir dann etwas besser ins Spiel gekommen sind, haben wir das zweite Tor gekriegt. Das war toll gemacht von Takashi Inui, aber wir müssen das natürlich anders verteidigen. Das war viel zu einfach."




Insgesamt gewann mit Frankfurt das clevere Team mit der besseren Spielanlage. Hätte Hecking jedoch früher gewechselt und etwas mehr riskiert wäre vielleicht mehr drin gewesen.







Der kleine aber feine Unterschied zeigte sich auch in der 89. Minute, als Polter freistehend eine giga Chance zum Ausgleich vergab. Eine ähnliche Situation hatte Frankfurts Hoffer vor etwas mehr als einer Stunde zum Frankfurter Führungstreffer genutzt. So nah liegen Sieg und Niederlage oft beieinander.




Alle Daten von Bundesliga.de und whoscored.com

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